Zu Fuß durch die trockenste Wüste der Welt
»Dieser Weg wird nicht sehr oft begangen, und nur jemand auf der Flucht oder ein Mensch ohne Hoffnung unterzieht sich freiwillig solchen Strapazen.«
Reginaldo de Lizárraga (1605)
Viele Jahrhunderte durchquerten Reisende die Wüste Atacama entlang einer Route, die erstmals von den Inka im 15. Jahrhundert erforscht und ausgebaut wurde. Mitte des 18. Jahrhunderts stellte die Strecke durch die Wüste Atacama die einzige Landverbindung zwischen dem heutigen Nord- und Zentralchile dar. Im Winter 1853/54 erforschte der nach Chile ausgewanderte deutsche Naturforscher Rudolph Amandus Philippi (* 1808, † 1904) im Auftrag der chilenischen Regierung diese Route quer durch die Atacama. Seit dem Bau der Panamericana nahe der Pazifikküste fiel die alte Route in Vergessenheit. Ziel war eine Solo-Durchquerung des unbewohnten Herzstückes der Wüste Atacama ohne motorisierte Unterstützung über eine Gesamtstrecke von 600 km. Die Strecke folgte historischen Reiseberichten, Startpunkt war die Oase San Pedro de Atacama. Sämtliche Ausrüstung und Nahrung für drei Wochen wurde per Rucksack transportiert. Die Wasserversorgung erfolgt an historisch belegten Quellen in der Wüste, die anhand der Angaben von R.A. Philippi und mit Hilfe von GPS gefunden wurden.
Die Strecke wurde bewusst im Vorfeld nicht erkundet, die Wanderung war daher ein Aufbruch ins Ungewisse. Nur spärliche Informationen waren über die historischen Wasserquellen zu finden. So konnte nicht mit absoluter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass ich an den angesteuerten Punkten auch wirklich Wasser finde. So wurde die Wanderung im ersten Teil eine psychische Grenzerfahrung. Entgegen meines gesunden Menschenverstandes, der mir im Vorfeld bei der Planung nächtens zuhause am Computer beim Studium der Karten empfahl Versorgungsdepots anzulegen, versuchte ich in Chile per Gewaltmarsch die ersten Quellen südlich des Salar de Atacama zu erreichen. Unweigerlich kam ich in Zeitverzug, meine Wasservorräte schrumpften bedenklich und plötzlich ereilten mich inmitten der Ödnis der Atacama-Wüste unter der sengenden Sonne wie aus dem Nichts Panikattacken. Ich befürchtete zu verdursten und machte in einer Kurzschlussreaktion kehrt. Im Nachhinein ist mir bewusst, dass ich nicht mehr in der Lage war logisch zu denken. Ich wollte nur noch raus aus der Wüste, ich sehnte mich nach Patagonien und wollte dort wandern - bis mir bewusst wurde, dass ich gar keine Regensachen dabei hatte.
Der gesunde Menschenverstand kehrte rehydriert und im Schatten von Bäumen in der Oase Peine zu mir zurück. Doch war mein Respekt vor der Atacama gewachsen. Da ich viel Zeit verloren hatte, nahm ich die Gelegenheit war, mit einem französischen Filmteam wieder in die Wüste zu fahren. Diese setzten mich 20 km vor der Quelle Puquios ab, ungefähr an dem Punkt an dem ich wenige Tage vorher kehrt gemacht hatte. Mit ausreichenden Wasservorräten dank der gefundenen Quellen (alle der von Philippi vor 150 Jahren angegebenen Quellen führten wirklich Wasser, wenn auch weniger als damals), schaffte ich es diemal die Atacama zu Fuß zu durchqueren. Ziel war die Minenstadt El Salvador, die tägliche Kilometerleistung schwankte zwischen 17 und 42 km auf Höhen bis zu 4300 m über dem Meer, das Gewicht des Rucksackes betrug maximal 43 kg. Als einzige Kommunikationsmöglichkeit zur Außenwelt wurde ein Satellitentelefon für Notfälle mitgeführt. Weitere wichtige Ausrüstungsgegenstände waren widerstandsfähigen Wassersäcke, Wasserfilter und ein Entsalzungshandgerät, sowie Trekkingstöcke zur Unterstützung beim Gehen.
Dass eine Durchquerung der Atacama kein Spaß ist, machten mir Dutzende Gräber entlang des Weges klar. Schon die Spanier berichteten im 16. Jahrhundert, dass 'der Weg mit den Knochen übersät war'. Es war auch für mich nicht möglich ausreichend Lebensmittel für so eine Wanderung mitzuführen, so musste ich den größten Teil aus korpereigenen Energiereserven beziehen. Dies resultierte in einem Gewichtsverlust von 13 kg bei 85 kg Startgewicht. Mein erster menschlicher Kontakt nach drei Wochen Wanderung waren zwei Minenarbeiter, die mich aus der Ferne aus ihrem Auto gesehen hatten, mich zu Fuß eingeholt hatten und mir helfen wollten. Nach meiner dankenden Ablehnung ihres Angebotes erscholl lautes Gelächter, dass der verrückte Deutsche sich nicht mitnehmen lassen wollte.
Ein gut gemeinter Hinweis an etwaige Nachahmer: nein, es gibt keine Internet-Cafes auf der Route, über die man seinen Blog füttern könnte (so eine Anfrage per email von zwei deutschen 'Abenteurern'). Dieser zentrale Teil der Atacama ist 'despoblado', und dies bedeuted: 'menschenleer, unbewohnt, verödet' und zwar von der Größe der Ausdehnung Bayerns!
Jahr | März/April 2008 |
Distanz | 600 km |
Dauer | 24 Tage |
Ort | Atacama-Wüste, Chile |
Route | San Pedro de Atacama - Peine - Llullaillaco - El Salvador |
Team | solo |
Literatur |
Koehler et al.: Case Study: Simulated and Real-Life Energy Expenditure During a 3-Week Expedition. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism 2011, 21, 520 - 526. Huelsemann et al.: Effects of Heavy Exercise and Restricted Diet Regimes on Nitrogen Balance and Body Composition. In: Lee-Thorp and Katzenberg: Handbook of the Archaeology of Diet, Oxford University Press, 2016. |