Zu Fuss durch die sibirische Taiga
»Das Gold lockte die Sucher in die gleiche Richtung, in welche die Zobel und Füchse sie gelockt hatten: immer weiter nach Osten. Es lockte sie in die undurchdringlichen Sümpfe der Taiga, in die Schluchten und Schlünde der Bergströme, in Gegenden, wo es keine Nahrung gab, wo die Moskitos buchstäblich alles Lebendige auffraßen.«
Juri Semjonow (1937)
»Wer zuviel weiß, schläft schlecht.«
Russischer Offizier (2004)
Wir waren weder auf der Suche nach Gold noch wussten wir am Ufer des Baikalsees im Sommer 2004, dass wir wenige Tage später 'zu viel wissen wollten', was sich auf unseren Schlaf auswirken sollte. Sibirien - eine Region, die sich vom Ural bis zum Pazifik, vom arktischen Meer bis in die nördlichen zentralasiatischen Steppen erstreckt. Weite Abschnitte Sibiriens sind praktisch menschenleer, nur entlang der Hauptverkehrsverbindungen, den Straßen und Eisenbahnen, gibt es nennenswerte menschliche Ansiedlungen. Der Baikalsee, tief im Südosten Sibiriens gelegen ist der größte, tiefste und älteste Südwassersee der Erde. An seinem Südufer liegt das Hamar-Daban-Gebirge, die letzte Barriere vor der mongolischen Steppe. Obwohl relativ leicht von Irkutsk oder Ulan-Ude zu erreichen, ist das Hamar-Daban-Gebirge kaum erschlossen, nur wenige Wege führen durch diese sibirische Wildnis.
Entlang einer seit langem vergessenen und fast vollständig verschwundenen Straße durchquerten wir das Hamar-Daban Gebirge von den Gleisen der transsibirischen Eisenbahn auf unserem Weg nach Süden. Ziel war die russisch-mongolische Grenze, genauer der Grenzübergang Naushki, an dem Michael alleine weiter in die Mongolei wandern wollte. Das Hamar-Daban-Gebirge empfing uns mit der ganzen Wildheit Sibiriens. Von einheimischen Jägern war die Existenz eines Weges, nicht mehr als ein Trampelpfad, durch die Sümpfe und Hochlagen des Gebirges bestätigt worden. Auf unserem Weg lagen unzählige Flussdurchquerungen, tagelanger Marsch durch Sümpfe, Gewitter und Sturm. Im gesamten Gebirge trafen wir auf keine Menschenseele.
Nach der Durchquerung des Hamar-Daban-Gebirges erreichten wir zum Erstaunen der örtlichen Miliz das Dorf Petropavlovka aus einer Richtung aus der normalerweise kein Ausländer kommt. Zudem verfügten wir über kein 'Permit' für diese Region, was zu einer Strafe von 40 Rubeln führte. Sehr interessiert war die Miliz an unseren topographischen Karten vom Hamar-Daban-Gebirge, welche wir zwar aus dem Internet heruntergeladen hatten, der örtlichen Miliz aber unbekannt waren. Gerne erlaubten wir Ajoscha, unserem 'Aufpasser' Kopien davon anzufertigen. Nachdem uns die Miliz wieder laufen gelassen hatte griff uns kurze Zeit später das Militär auf. Ein sichtlich völlig betrunkener Oberst nahm uns fest und ließ uns an einen 'geheimen Ort' bringen. Sichtlich unsicher waren sich die Soldaten, ob wir nicht etwa in der Lage wären, die Position ihres Lagers zu bestimmen. Nein, versicherten wir, dies wäre völlig unmöglich. Als Antwort auf irgendwelche Fragen zum Standort erfuhren wir nur, dass derjenige, welcher zuviel weiß, schlecht schlafen würde. Ein altes russisches Sprichwort, wie uns ein Offizier mitteilte. Da wir anscheinend keine Gefahr für die russische Sicherheit bedeuteten ließ man uns aber 24 Stunden später wieder laufen, mit dem wohlgemeinten Ratschlag 'nicht überall zu bezahlen', denn das Permit der Miliz wäre bedeutungslos. Übrigens liegt das 'geheime' russische Lager genau hier, leider versäumten die Soldaten es nämlich uns unser GPS-Gerät abzunehmen...
Jahr | August 2004 |
Distanz | 300 km |
Dauer | 10 Tage |
Ort | Republik Burjatien, Sibirien |
Route | Baikalsee - Hamar-Daban-Gebirge - Petropavlovka - Naushki |
Team | Frank Hülsemann, Michael Giefer |